Die kleine Freundin
Der Junge stand am Bächlein und schaute traurig ins Wasser.
Wieder einmal war er von zu Hause geflüchtet, vor dem Tyrannen, der sein Stiefvater war.
Immer wenn er nicht weiter wußte, kam er an diesen Ort,
der ihm irgenwie eine gewisse Geborgenheit gab.
Ein leises Lachen ließ ihn aufschauen und er erblickte ein kleines ungefähr vierjähriges Mädchen,
das in einiger Entfernung von ihm stand und ihn anstrahlte.
Sie war blond und hatte ein Mäntelchen an, das man in den fünfziger Jahren trug, auf ihren Kopf saß eine Pullmannkappe,
wie man sie in der heutigen Zeit nicht mehr fand.
" Zeigst du mir, wie man Steine flach über das Wasser springen läßt?"
fragte es den Jungen.
Er war verwundert und scheu nahm er einen Stein und warf ihn so, daß er dreimal über das Wasser sprang.
Die Kleine machte es nach, aber sie stellte sich etwas ungeschickt an und der Stein plumste mit einem Klatsch ins Wasser.
Beide lachten herzlich und der Junge verlor seine Scheu und fing an mit dem kleinen Ding zu scherzen.
Sein Herz war auf einmal froh und alle Ängste waren plötzlich verschwunden.
Das Mädchen sagte: " Wenn Du möchtest können wir uns ja öfters treffen und spielen".
"Ja, ja komm wieder" antwortete der Junge.
Von da an trafen sie sich regelmäßig und immer wenn er geprügelt von zu Hause ausrückte, war das Mädchen da.
Diese Treffen machten sein Leid erträglicher und seine Seele wurde geschützt vor Verletzungen.
Dies ging einige Jahre, der Junge wurde größer,
doch das Mädchen blieb immer gleich.
Eigentümlicherweise fragte er nie nach dem Grund.
Eines Tages sprach das kleine Mädchen: " Du ich muß Dich jetzt verlassen, aber du wirst mich wieder treffen in einigen Jahren,
wenn es dir schlecht geht, denke einfach an mich, es wird für Dich leichter."
Vieles mußte er noch ertragen und immer wenn die Einsamkeit zu groß wurde, dachte er an das Mädchen.
Viele, viele Jahre später traf er eine Frau, die vom Alter her seine Mutter hätte sein könnte.
Er empfand eine eigentümliche Vertrautheit und fragte sie: "Wer bist Du ? Ich habe das Gefühl dich zu kennen."
Sie lachte: " Natürlich kennst Du mich, ich bin das kleine Mädchen,
das dich in Deiner Kindheit begleitet hat, um Dir dein Leid zu verringern.
Ich bin aus der Zukunft in die Vergangenheit gereist um die ärgsten Verletzungen abzufangen,
leider darf man nicht eingreifen und Vorkommnisse verändern,
das würde eine Störung im Zeitablauf zur Folge haben."
Da erkannte er das kleine Mädchen mit der altmodischen Kleidung wieder und seine Freude war riesengroß.